Vor mehr als zehn Jahren hast du als Projektleiter bei der Midnight Station Kelleramt angefangen. Was hat dich damals dazu bewegt?
Ich bin mit meiner Familie in die Gemeinde gezogen. Als Neuling im Dorf und frischer Familienvater wollte ich mich einerseits in der Gemeinde integrieren und andererseits auch etwas für das Gemeinwohl tun. So fing ich als Seniorcoach an und übernahm ein knappes Jahr später die Projektleitung.
Was hat sich an deinem Projekt über die Jahre verändert und wie hat sich das auf die Organisation ausgewirkt?
Im Grund ist das Angebot über die Jahre unverändert geblieben, doch natürlich haben neue Coachs, unterschiedliche Teilnahmezahlen und neue Trends das Angebot geprägt. Auch die Beliebtheit des MidnightSports schwankte über die Jahre hinweg. Bei jedem Generationenwechsel in der Schule muss das Projekt neu gefördert werden.
Ab und zu gab es auch Krisen, wie Gruppen von schwierigen Jugendlichen, die das Programm gestört haben oder ein sehr geringer Mädchenanteil. Da haben wir jeweils über die Juniorcoachs gezielte Werbung gemacht.
Aufgrund der Corona-Pandemie war die Midnight Station Kelleramt nun für gut zwei Monate geschlossen, bis vor Kurzem habt ihr eine U16-Alternative angeboten, seit 1. März dürft ihr wieder normal öffnen. Wie hast du diese Zeit erlebt und wie geht es jetzt weiter?
Nach dem ersten Lockdown im Frühling 2020 haben wir auf Projektbasis noch stärker auf Online-Kommunikation gesetzt. Beispielsweise haben wir uns stärker darum bemüht, unsere Teilnehmer*innen über Instagram zu erreichen. So konnten wir sie immer auf dem Laufenden halten, wenn es zu Veränderungen kam. Als das Projekt im Februar dann mit Altersbeschränkung U16 wieder öffnete, zeigte sich mir der Bewegungsdrang der Jugendlichen ganz deutlich. Sie mussten dringend raus aus den eigenen vier Wänden, das war bestimmt auch für die Eltern eine Entlastung. Die Wiedereröffnung war also sehr erfolgreich. Da unser Projekt ohnehin nur vereinzelt von Personen über 16 Jahren besucht wird, stellte die Umsetzung der Altersbeschränkung kein grosses Problem dar. Aber natürlich ist es schön, dürfen aktuell wieder alle Jugendlichen teilnehmen.
Was war herausfordernd an der Planung und weshalb habt ihr es trotzdem umgesetzt?
Im Kelleramt war im Frühling über längere Zeit alles geschlossen, selbst Spielplätze waren abgesperrt. Es gab für die Jugendlichen keine sinnvollen Freizeitaktivitäten bzw. keine ansprechenden Plätze, um Zeit zu verbringen. Einzig in der Gemeinde Unterlunkhofen herrschten etwas lockerere Bestimmungen. Da die Jugendlichen trotzdem etwas erleben wollen, haben sie kurzum andere Gemeinden aufgesucht. Aus diesem Grund haben wir gemeinsam mit den Gemeinden des Kelleramts vor dem Sommer beschlossen, dass es einen anderen Weg braucht. Wir wollten unsere Verantwortung, auch im Bereich der Suchtprävention, wieder wahrnehmen.
Wie geht das Team mit der speziellen Situation um?
Es gab einige Veränderungen, manche Coachs haben das Projekt verlassen, jedoch kamen auch neue dazu. Der Austausch zwischen allen Beteiligten ist rege, so werde ich oft kontaktiert und gefragt, wie es weitergeht. Die hohe Motivation hat mich überrascht und freut mich sehr.
Was auch erfreulich ist, ist, dass zwei der neuen Coachs sich in Zukunft sogar die Übernahme der Projektleitung vorstellen können.
Du hast ja schon viel erlebt in den letzten Jahren. Was waren deine Highlights?
Spontan kommt mir der Moment im letzten Sommer in den Sinn, als der Vertrag für das Midnight von den Gemeinden verlängert wurde, nachdem es eine Weile auf der Kippe stand. Die Erleichterung und Freude war gross. Ein anderes Highlight ist es, immer wieder zu sehen, wie die Jugendlichen sich entwickeln und wie sich die Nachfolge der Coachs immer ganz natürlich ergibt.
Welche Tipps hast du für andere Projektleiter*innen?
Das Wichtigste ist, dass man selbst Spass hat! Momentan geht das zwar nicht, doch im Normalfall sollte man an den Aktivitäten mitmachen, sich betätigen und die Stimmung geniessen. Auch ist es wichtig, zuzulassen, dass nicht alles nach dem eigenen Plan verläuft und dass man die Jugendlichen miteinbezieht. Sie wissen nämlich am besten, was gut ankommt.
Und noch etwas, kein Tipp, aber dennoch wichtig: Wenn man Fehler macht, wird einem schnell verziehen. Es herrscht nicht der selbe Druck wie unter Erwachsenen. Wenn man sich dem bewusst ist, kann man viel lockerer sein. Davon profitieren alle.
Was wünscht du dir für die nächste Saison?
Ich wünsche mir an erster Stelle, dass wir alle gesund bleiben und dass wir zurück zur Normalität finden und die Jugendliche ihre einmaligen „Jugendjahre“ wieder in vollen Zügen ausleben können.
Sergio Martin
Alter: 39
Wohnort: Jonen
Hobbys (evtl. auch neue seit Corona): allgemein Ballsportarten
Beruf: Bankangestellter
Die grösste Herausforderung, die Corona mit sich brachte: sehr viel Geduld und Flexibilität
Glücksorte und Glücksmomente in dieser Zeit: viel Zeit, die ich mit meiner Familie verbringen durfte.