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Prävention durch Sensibilisierung und Ermächtigung

24.05.2021

Der Verhaltenskodex von IdéeSport soll eine langfristig präventive Wirkung haben. IdéeSport entwickelte diesen mit Unterstützung der Paul Schiller Stiftung und der Fachstelle Limita. Irène Inderbitzin von der Paul Schiller Stiftung und Silvan Steiner von der Fachstelle Limita berichten von ihrer Vision, die sie mit dem Projekt verbinden, von der Zusammenarbeit mit IdéeSport und erklären, inwiefern das Kindesschutz-Projekt einen Multiplikatoreneffekt für die ganze Schweiz haben kann.
Kindesschutz_PSS_Limita_Interview

Sie unterstützen die Arbeitsgruppe Kindesschutz von IdéeSport sowohl fachlich als auch finanziell. Was ist Ihre Aufgabe? Welche Rolle haben Sie dabei inne?

Irène Inderbitzin, Paul Schiller Stiftung: Als Finanzgeberin ist es mein grösstes Interesse, dass aus der Arbeit ein wirkungsvolles Projekt entsteht, das die Kinder schweizweit langfristig schützt. Ich nehme eine beratende Funktion ein und gebe Rückmeldungen zur Zielerreichung. Quartalsweise erhalte ich ein Update der Arbeitsgruppe und gebe meine Inputs dazu. Sobald das Projekt bei IdéeSport dann abgeschlossen sein wird, hoffe ich, dass es mit weiterer Unterstützung durch die Paul Schiller Stiftung in anderen Organisationen implementiert werden kann.

Silvan Steiner, Fachstelle Limita: Unsere Aufgabe besteht in der fachlichen Unterstützung bei der Umsetzung der Präventionsmassnahmen. Unter anderem ging es in einem ersten Schritt darum, der Arbeitsgruppe unsere Bausteine zur Prävention von Grenzverletzungen und sexueller Ausbeutung aufzuzeigen. In einem zweiten Schritt half ich mit, diese Bausteine auf die Gegebenheiten und Anforderungen der Projekte von IdéeSport anzupassen. Dabei klärten wir z.B., wie bereits bestehende Strukturen genutzt und neue Massnahmen integriert werden können, damit sie im Rahmen eines ganzheitlichen Kindesschutzprojektes eine möglichst grosse Wirkung erzielen.

Frau Inderbitzin, Sie sind massgeblich dafür mitverantwortlich, dass es diese Arbeitsgruppe heute überhaupt gibt. Wie kam es dazu?

Irène Inderbitzin: Auslöser war eine angekündigte Gesetzesänderung. So sollte neu eine Meldepflicht eingeführt werden, die auch bei Laienorganisationen greifen sollte. Damit meine ich Organisationen, bei welchen Menschen mit Kindern arbeiten, dies aber nicht als hauptberufliche Tätigkeit tun, also beispielsweise Freizeitvereine oder Jugendverbände – oder auch IdéeSport mit den jugendlichen Hallenteams und Projektleiter*innen. Ursprünglich war gedacht, dass auch solche Organisationen verpflichtet sind, entsprechende Auffälligkeiten zu melden. Letztlich wurden diese wieder von der Verpflichtung befreit. Fakt ist aber, dass Kinder im Alter von 0 bis 12 Jahren am meisten von Übergriffen betroffen sind und die genannten Organisationen eine wichtige Funktion in dieser Thematik wahrnehmen. Diese können sie aber nur mit entsprechender Schulung erfüllen. Da der Staat wegen der fehlenden Gesetzesgrundlage nicht zur Hilfestellung verpflichtet ist, haben wir uns dieser Aufgabe angenommen. Dieses Thema war brandaktuell, als ich den damaligen Geschäftsführer von IdéeSport und heutiges Stiftungsratsmitglied, Giorgio Panzera, an einem Anlass traf. Ich sprach ihn darauf an, dass die Stiftung für andere Organisationen eine Vorreiterfunktion einnehmen könnte, um entsprechende Massnahmen zum Schutz des Kindes zu ergreifen.

Herr Steiner, Sie haben die Arbeitsgruppe als Fachpartner intensiv dabei unterstützt, den Verhaltenskodex zu erarbeiten. Wie sind Sie dabei vorgegangen? Wo konnten Sie sich insbesondere einbringen?

Silvan Steiner: Der Verhaltenskodex ist unser wichtigstes Instrument im Bereich des Risikomanagements, einem unserer Präventionsbausteine. In einem ersten Schritt ging es darum, aufzuzeigen, was ein Verhaltenskodex ist und wie er innerhalb einer Organisation zu einem professionellen Umgang mit Nähe und Distanz und damit zur Prävention von Grenzverletzungen und sexuellen Übergriffen beitragen kann. Weiter ging es darum, die Programme von IdéeSport zu analysieren und zu schauen, welche Personen als Projektteilnehmende und Projektmitarbeitende involviert sind. In einem nächsten Schritt sammelten wir Situationen, in welchen aus präventiver Sicht ein geklärter Umgang mit Nähe und Distanz besonders wichtig ist. In einem Workshop mit Vertreter*innen aus verschiedenen Hallenteams erarbeiteten wir Lösungsansätze, wie sie mit solchen Situationen umgehen können, ohne dass die Auftragserfüllung der Hallenteams eingeschränkt wird. So entwickelten wir Schritt für Schritt Verhaltensstandards, die den Gegebenheiten von IdéeSport Rechnung tragen und die Integrität der Projektteilnehmenden zusätzlich schützen.

Warum unterstützen Sie die Stiftung IdéeSport als Partner in Sachen Kindesschutz? Welche Vision verfolgen Sie mit ihrer Unterstützung dieses Projekts/Vorhabens?

Irène Inderbitzin: Als Förderstiftung besteht unser Auftrag darin, unsere Gelder so einzusetzen, dass eine hohe Wirkung für das Gemeinwohl entsteht. Idealerweise wird dies in einem Rahmen gemacht, wo der Staat nicht schon selbst in der Pflicht ist. Das ist beim Kindesschutz erfüllt. Dass Limita als Fachstelle zur Prävention sexueller Ausbeutung mit ins Boot geholt worden ist, erachte ich als sehr wertvoll. Denn körperliche Misshandlungen sind eher ersichtlich, sexuelle Ausbeutung hingegen ist viel subtiler. Eine weitere wichtige Voraussetzung für unsere Unterstützung ist die Multiplizierbarkeit des Projektes, so dass alle Organisationen in der ganzen Schweiz von diesem Output profitieren. Damit leisten wir einen wesentlichen Beitrag zur Vermeidung solcher Vorfälle, die verheerende Auswirkungen auf das ganze restliche Leben eines betroffenen Kindes haben. IdéeSport hat ideale Voraussetzungen dafür, weil die Stiftung schweizweit tätig und eine etablierte sowie gut vernetzte Organisation ist. Die Stiftung hat eine wichtige Schlüsselfunktion, um in der Schweiz diesen Multiplikatoreneffekt der Botschaft für den Kindesschutz zu erreichen. Zudem hat IdéeSport Projekte für Kleinkinder, Primarschüler*innen und Jugendliche und beschäftigt in allen Projekten jugendliche Coachs. So werden junge Leute aller Altersgruppen bereits auf das Thema sensibilisiert. Das hat Einfluss auf alle Lebensbereiche bis hin zur Familie und Partnerschaft.

Silvan Steiner: Grundsätzlich ist es die Aufgabe unserer Fachstelle, Institutionen in der Erarbeitung von Präventionsmassnahmen zu unterstützen. Als die Anfrage seitens IdéeSport kam, war klar, dass wir hier gerne unterstützen. Unsere Vision ist es, dass alle Institutionen, die Angebote für Kinder, Jugendliche und besonders vulnerable Personen in einem Abhängigkeitsverhältnis schaffen, sich dafür einsetzen, dass diese Angebote ein sicheres Umfeld für das Zielpublikum darstellen. Dafür braucht es gezielte Massnahmen, die institutionell verankert werden müssen. IdéeSport kann im Bereich des organisierten Freizeitsports als Vorbild fungieren und diese Botschaft nach aussen tragen, um sie bereits in den Köpfen junger Menschen zu verankern.

Inwiefern unterscheidet sich die Zusammenarbeit mit IdéeSport von jener mit anderen Partnern?

Silvan Steiner: Für uns war die Zusammensetzung der Personen, welche die Präventionsmassnahmen vor Ort umsetzen und damit zusätzlichen Schutz ermöglichen, sehr spannend. Unsere Präventionsbausteine setzen an verschiedenen Ebenen an; der Führungsebene, der Ebene der Mitarbeiter*innen und der Ebene derjenigen Personen, für welche man zusätzlichen Schutz ermöglichen möchte. Bei IdéeSport vermischen sich diese Ebenen, da IdéeSport jugendliche Coachs beschäftigt. Die Coachs sind zwar in der Verantwortung für noch jüngere Projektteilnehmende, sind aber gleichzeitig auch Personen im Schutzalter und profitieren dabei von der Sensibilisierung durch den Verhaltenskodex im Sinne einer direkten, ermächtigenden Prävention. Diese doppelte Präventionsarbeit ist toll, war aber auch eine Herausforderung, da wir die Formulierungen sehr bedachtsam wählen mussten. Wir wollten sensibilisieren, aber auch nicht vor der Verantwortung abschrecken.

Irène Inderbitzin: Die Zusammenarbeit mit IdéeSport unterscheidet sich zu anderen Organisationen dahingehend, da sie als einzige agil stattfindet. Ich nehme situativ an den Sprints der Arbeitsgruppe teil und bin dadurch als Partnerin eng involviert. Diese Arbeitsweise ist zeitgemäss, sehr effektiv und hat eine hohe Professionalität mit sich gebracht. Auch die hohe intrinsische Motivation aller Mitarbeiter*innen für dieses Thema hat mich sehr begeistert. Man merkt: Es ist ein Herzensthema bei IdéeSport.

Gibt es Ergebnisse aus der nun 18-monatigen Tätigkeit der Kindesschutz-Arbeitsgruppe, die Sie besonders beeindruckt haben? Welche sind dies?

Irène Inderbitzin: Was mir besonders gefallen hat: Die Arbeitsgruppe hat nicht einfach nur eine App geschaffen, sondern die gesamte Organisation durchleuchtet und war bereit, alles auf den Kopf zu stellen. Es wurden auf allen Ebenen die notwendigen Anpassungen vorgenommen, vom Bewerbungsgespräch bis zu den Veranstaltungen in den Hallen. Auch die fokussierte Arbeitsweise habe ich sehr geschätzt.

Silvan Steiner: Irgendwann stand in der Arbeitsgruppe die Idee einer App im Raum, um die junge Zielgruppe möglichst gut zu erreichen. Und obschon nach ersten Abklärungen die Hürden zu einer solcher App zahlreich waren, hat die Arbeitsgruppe einen Schritt nach dem anderen angepackt. Daraus entstanden ist ein qualitativ hochwertiges Produkt. Diese Unbeirrtheit hat mich sehr beeindruckt.

Welche weiteren Erwartungen haben Sie an diese Zusammenarbeit und an die Arbeitsgruppe?

Silvan Steiner: Meine Hoffnung ist es, dass die erwähnte Vorbildfunktion erreicht wird, so dass andere Organisationen des organisierten Freizeitbereichs mitziehen und ihre Verantwortung im Bereich der Prävention wahrnehmen. Ich wünsche mir, dass die Jugendlichen erkennen, dass sie anderen einen sicheren Rahmen bieten und dabei auch für sich selbst einen solchen gewinnen können. Diese Erfahrung sollen sie weitertragen und in Zukunft selbstverständlich umsetzen. So soll ein neuer Kreis geschaffen werden: «Was ich erlebt und wovon ich profitiert habe, das will ich auch anderen ermöglichen.»

Irène Inderbitzin: Meine Erwartungen wurden alle übertroffen (lacht). Und ich will mich Silvans Worten anschliessen: Dieser Schutzgedanke soll von den Jugendlichen weitergetragen werden. Auch soll das Projekt gesamtschweizerische Auswirkungen haben. Ich glaube sehr stark an das Zusammenspiel von Kindesschutz und -recht. Indem man den Kindern aufzeigt, welche Rechte sie haben, bietet man ihnen den bestmöglichen Schutz. Sie erkennen dadurch, wenn etwas nicht in Ordnung ist und dass sie das Recht haben, davor geschützt zu werden und sich Hilfe zu holen. Zudem erhoffe ich mir, dass das Endprodukt, die App, fleissig genutzt und verbreitet wird.

Irène Inderbitzin von der Paul Schiller Stiftung, Zürich.
Silvan Steiner von der Fachstelle Limita.

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