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«Selbstorganisation bei IdéeSport funktioniert»

07.07.2021

Marcel Reinhard hat die Stiftung IdéeSport als «Agile Coach» im Transformationsprozess zur Selbstorganisation begleitet. Mit der zunehmenden Eigenverantwortung der Mitarbeitenden hat sich seine Rolle immer wieder verändert. Beobachtet wurde der Prozess von Katja Kurz und ihrer Kollegin Ninja Leikert-Böhm, beide von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Dies mit dem Ziel, einen wissenschaftlich fundierten Leitfaden für den Transformationsprozess hin zur Agilität im Schweizer Stiftungswesen zu erstellen. Im Interview erzählen Marcel und Katja von den Highlights und Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit IdéeSport.

Marcel, du begleitest IdéeSport seit Mai 2019 als Coach im Transformationsprozess. Wie kam es dazu und was war deine Rolle während des Prozesses?

Marcel Reinhard, agil & mehr: Sandro Antonello, Organisationsentwickler bei IdéeSport hat sich an mich gewandt, als er nach einer neuen Zusammenarbeitsform für die Stiftung suchte. Ziel war, die Herausforderungen im dynamischen Umfeld besser meistern zu können und zukunftsfähig zu bleiben. Ich habe ihm neue und agile Methoden und Elemente vorgestellt und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Anfangs habe ich den Transformationsprozess als Coach eng begleitet. Da die Eigeninitiative der Mitarbeitenden immer grösser wurde, nahm ich mich immer mehr zurück aus dem Prozess – was genau mein Ziel war.

Katja, die ZHAW hat IdéeSport ebenfalls begleitet. Ab wann war dies und mit welchem Ziel?

Katja Kurz, ZHAW: Gemeinsam mit meiner Kollegin, Ninja Leikert-Böhm, haben wir ab Frühling 2020 die beobachtende Rolle eingenommen. Wir haben das Vorgehen der Stiftung begleitet und dokumentiert, waren an den monatlichen Agilitäts-Workshops anwesend, haben unter anderem mit Studierenden Umfragen und Interviews durchgeführt, Literatur zu Rate gezogen und fassen nun alle Erkenntnisse zu einem Abschlussdokument zusammen. Dieses soll ein «How-to»-Leitfaden sein und anderen Stiftungen in der Schweiz am Beispiel von IdéeSport das Vorgehen aufzeigen.

Gibt es etwas, was euch während des Prozesses überrascht hat?

Marcel: Sich an die iterativen Prozesse zu gewöhnen, ist für die Organisationen anfangs eine Herausforderung. Mich hat positiv überrascht, wie schnell das bei IdéeSport dann doch umgesetzt und verstanden wurde. Nach einer Weile war meine Anwesenheit bei den Sprints, Reviews und Retrospektiven gar nicht mehr nötig. Das war ein starkes Zeichen eines kulturbildenden Momentes.

Katja: Da kann ich mich anschliessen. Als wir dazu kamen, hat vieles bereits funktioniert. Das kenne ich anders. Zwei Sachen haben mich dabei überrascht. Erstens, dass IdéeSport sich so akribisch an das gewählte und beigebrachte Vorgehen gehalten hat. Aus anderen Organisationen kenne ich aktiveren Widerstand. Zweitens hat mich die unglaubliche intrinsische Motivation der Mitarbeitenden überrascht. Davon hatte ich bisher nur gelesen, es aber noch nie in der Ausprägung erlebt (lacht). Das war ein Highlight.

Gab es auch Momente, die besonders herausfordernd waren?

Katja: Die Workshops fanden online statt, was für uns als Beobachterinnen eine Herausforderung darstellte. Zwischen den Zeilen zu lesen, körperliche Ausdrücke wahrzunehmen: Das fiel weg, wäre jedoch sehr wichtig für unsere Aufgabe. Es gab zwar Chats und andere Online-Formate, die einen informellen Austausch boten, aber ein Ersatz waren diese nicht. Auch war in diesem Setting oft nicht klar, dass wir nur beobachten. Das wäre vor Ort auch eindeutiger abzubilden gewesen.

Marcel: Da hast du recht. Ich bin froh, dass ich vor Ort starten konnten. Die vielen Unsicherheiten, die anfänglich natürlicherweise bestehen, liessen sich so besser abfangen. Der Anfang eines Transformationsprozesses ist immer eine Herausforderung: Viel Neues muss gelernt werden und Strukturen ändern sich, an denen man sich festhalten konnte. Da ist es wichtig, Schritt für Schritt vorwärtszugehen und nicht gleich alles auf einmal wollen. In den digitalen Settings habe ich mittels Breakout-Sessions versucht, immer wieder Diskurs zu ermöglichen, was tatsächlich ganz gut funktioniert hat.

Der Change Prozess neigt sich dem Ende zu. Was muss in euren Augen unbedingt noch umgesetzt werden?

Marcel: Alle Mitarbeitenden müssen immer wieder abgeholt werden. Das macht ihr schon gut, indem stets Inputs von den sogenannten Lernbegleiter*innen gegeben werden und die Agilität auch bei den regelmässig stattfindenden National Meetings immer wieder Thema ist. Da müsst ihr dranbleiben. Ausserdem dürft ihr gerne mehr Stolz zeigen: Eure Selbstorganisation ist schon so weit entwickelt und funktioniert sehr gut, das findet man nur selten.

Katja: Genau, die anfängliche Unsicherheit darf sich nun in Stolz wandeln. Ihr habt euch ein neues Verhalten und Mindset antrainiert – und wie auch bei einem körperlichen Training, muss auch hier der Muskel stets gefordert werden. Ihr könntet euch auch selbst und die Agilität immer wieder feiern. Das gäbe Stabilität die es braucht, um in stressigen Situationen nicht in alte Muster zu verfallen. Auch müssen bewusst allenfalls neu aufkommende Widerstände erkannt, abgefragt und ernstgenommen werden.

Marcel: Genau, Agilität braucht Stabilität – das schliesst sich nicht aus. Eine Organisation muss stabil sein, um flexibel zu bleiben. Da seid ihr aber gut dabei, denn die erste Krise habt ihr sehr gut gemeistert: die Covid19-Pandemie.

Welche Learnings konntet ihr für euer eigenes Arbeitsleben aus der Erfahrung mit IdéeSport ziehen?

Katja: Mir wurde die Wichtigkeit und Macht der eigenen intrinsische Motivation bestätigt. Zudem nehme ich mit, dass es zugelassen werden darf, das Tempo zu drosseln, wenn solche Anpassungen vorgenommen werden. Dies will ich bei meinen Projekten bewusster umsetzen.

Marcel: Mir wurde erneut bewusst, wie wichtig es ist, alle Mitarbeitenden abzuholen und alles gut und schrittweise aufzubereiten. Ihr habt das sehr gut gemacht. Auch nehme ich das schöne Gefühl mit, als mir klar wurde, dass ich euch nichts mehr weitergeben kann. Ich wusste: Meine Aufgabe hier ist erledigt.

Katja Kurz von der ZHAW
Marcel Reinhard von agil & mehr

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