Was heute als Herzstück von IdéeSport gilt, begann mit einer spontanen Idee: Als Robert Schmucki das erste Midnight Basketball mitorganisierte, standen plötzlich 140 Jugendliche in der Halle – und schnell wurde klar, dass nur gemeinsam mit Jugendlichen selbst ein solches Projekt gelingen kann. Im Gespräch erzählt Robert Schmucki, Mitbegründer von IdéeSport und Initiator des CoachProgramms, wie aus dieser Erfahrung ein einzigartiges Fördermodell entstand. Seine Erinnerungen zeigen, wie Verantwortung, Vertrauen und echte Teilhabe Jugendliche stärken – und das CoachProgramm bis heute prägen.
Olten, 22.09.2025 – Interview mit Robert Schmucki
Was war die ursprüngliche Idee hinter dem CoachProgramm – und was hat Sie dazu inspiriert?
Ganz am Anfang war es eigentlich eine pragmatische Entscheidung. Wir haben mit Freunden das erste Midnight Basketball organisiert. Erwartet haben wir 20 – 30 Teilnehmende – am Ende standen 140 Jugendliche in zwei Hallen. Da wurde klar: Mit einem reinen Erwachsenenteam können wir das gar nicht stemmen.
Also haben wir begonnen, Jugendliche einzubeziehen. Die ersten beiden Junior Coaches, Hassim und Justin, repräsentierten zwei unterschiedliche Hintergründe – Albanien und Puerto Rico. Wir haben ihnen damals denselben Lohn bezahlt wie den erwachsenen Coaches. Das hat am Anfang überhaupt nicht funktioniert: Justin kam nach drei Einsätzen nicht mehr, weil er mit 14 Jahren für einen Abend mehr verdiente, als er von seinen Eltern in Monaten an Sackgeld bekam.
Trotz solcher Startschwierigkeiten war genau dieser Schritt entscheidend: Justin wandelte sich von einem bekannten „Schläger“ zu einem ambitionierten Senior Coach. Allein das T‑Shirt mit dem grossen Aufdruck „COACH“ veränderte sein Image – auf dem Pausenplatz konnte er nicht mehr der sein, der er samstags war. Diese Verantwortung hat ihn geprägt.
Ab 2004 in Uster wurde das Ganze dann systematischer: Dort waren wir wortwörtlich überrannt. Uns wurde klar, dass wir ein verlässliches Team brauchten. So entstand die Idee, erfahrene Junior Coaches zu Senior Coaches weiterzuentwickeln. Bald darauf folgten auch erste Ausbildungsgänge. Für mich persönlich sind diese biografischen Veränderungen der Jugendlichen der „Rohdiamant“ des CoachProgramms.
Gab es einen Schlüsselmoment, in dem Ihnen klar wurde: Das CoachProgramm brauchen Jugendliche unbedingt?
Ja, besonders in Uster ab 2003. Dort arbeiteten wir eng mit Jugendarbeit und Schulsozialarbeit zusammen. Wir kannten die Jugendlichen dadurch nicht nur vom Samstagabend, sondern auch aus ihrem Alltag. Diese Nähe hat uns gezeigt, wie gross das Potenzial ist.
Ich erinnere mich an Emmen: Ein Jugendlicher mit Ruf als Schläger wurde Junior Coach, später Senior Coach – und erzählte dann selbst in der Schule, warum man nicht in Schlägereien verwickelt sein sollte. Genau solche Entwicklungen machen deutlich, wie wichtig das Programm ist.
Ein weiterer Schlüsselmoment war die bewusste Öffnung für Mädchen. Anfangs lag ihr Anteil bei Midnight Sport bei gerade einmal 4 %. Viele sagten uns, wir sollten einfach ein Bubenprojekt daraus machen. Aber wir hielten dagegen – und nach 6 – 7 Jahren stieg der Mädchenanteil auf 30 – 35 %, später sogar bis zu 50 %. Das war ein Meilenstein. Besonders im OpenSunday und MiniMove habe ich erlebt, wie wertvoll weibliche Rolemodels sind, auch für die Eltern.
Welche Werte und Haltungen waren Ihnen bei der Gründung besonders wichtig?
Im Zentrum stand Empowerment – Jugendlichen Verantwortung übertragen und ihnen Selbstwirksamkeit ermöglichen. Nicht nur kontrolliert, sondern so, dass sie sich selbst regulieren lernen.
Wir haben sogar mit einem Punktesystem experimentiert, statt Lohn direkt auszuzahlen. Dabei ging es uns immer um eines: Jugendliche sollen erfahren, dass sie etwas können und wichtig sind. Viele, vor allem Jungs mit Migrationshintergrund, kommen aus der Schule mit dem Gefühl, dass sie nichts draufhaben – und das ist fatal. Dagegen wollten wir arbeiten.
Worauf sind Sie heute, mit etwas Abstand, am meisten stolz?
Am meisten Freude bereiten mir die Geschichten, die wir erlebt haben. Ein Beispiel: Beim ersten OpenSunday hatten wir einen Hauswart, der uns sofort unterstützte – ungewöhnlich, da Hauswarte uns oft kritisch gegenüberstanden. Später erzählte er uns, dass er selbst einmal Coach bei IdéeSport war. Solche Kreise, die sich schliessen, finde ich wunderschön.
Oder die Autorin Petra Ivanov: Sie hat in ihren Jugendromanen Reset und Rewind erstmals eine Junior-Coach-Figur im Midnight auftreten lassen. Dass unser Programm sogar in die Literatur Eingang gefunden hat, zeigt mir, dass es mehr ist als ein Projekt – es ist Teil von Lebensgeschichten geworden.